BEDENKENSWERTES


Wenn Du nach 1979 geboren wurdest, hat das hier mit Dir nichts zu tun, trotzdem kannst Du weiterlesen. Wenn Du als Kind in den 50er, 60er oder 70er Jahren lebtest, ist es zurückblickend kaum zu glauben, daß wir so lange überleben konnten!

Als Kinder sassen wir in Autos ohne Sicherheitsgurte und ohne Airbags. Unsere Bettchen waren angemalt in strahlenden Farben voller Blei und Cadmium. Die Fläschchen aus der Apotheke konnten wir ohne Schwierigkeiten öffnen, genauso wie die Flasche mit dem Bleichmittel oder die Salzsäure, mit der das Klo gründlich gereinigt wurde.

Türen und Schränke waren eine ständige Bedrohung für unsere Fingerchen ebenso wie die Steckdosen, die noch keine Sicherheitseinsätze hatten.

Auf dem Fahrrad trugen wir nie einen Helm. Wir tranken Wasser aus Wasserhähnen und nicht aus Flaschen. Wir bauten Wagen aus Seifenkisten und entdeckten erst während der ersten Fahrt den Hang hinunter, dass wir die Bremsen vergessen hatten. Aber damit kamen wir nach einigen Unfällen klar.

Wir verliessen das Haus morgens zum Spielen, blieben den ganzen Tag weg und mussten erst wieder zu Hause sein, wenn die Strassenlaternen angingen. Niemand wusste wo wir waren und wir hatten nicht einmal ein Handy dabei. Es gab keine von Steuern finanzierte Jugendarbeit, keine "Kleine Offene Tür" (KOT - wie das heute bezeichnenderweise heisst), keine Animateure und keine Jugendbetreuer.

Wir haben uns geschnitten, hatten blutige Knie, brachen uns Knochen und Zähne und niemand wurde deswegen verklagt. Es waren eben Unfälle. Niemand hatte Schuld ausser wir selbst. Keiner fragte nach "Aufsichtspflicht".

Wir kämpften miteinander und schlugen uns manchmal grün und blau. Damit mussten wir leben, denn es interessierte die Ewachsenen nicht. Wenn wir Nachbarn geärgert, uns eine Ohrfeige eingehandelt hatten und uns bei den eigenen Eltern beschweren wollten, wurden nicht die Nachbarn verklagt, sondern es gab noch eine weitere Ohrfeige.

Wir aßen Kekse, Brot mit dick Butter drauf, tranken sehr viel und wurden trotzdem nicht zu dick. Wir tranken mit unseren Freunden aus einer Flasche und niemand starb an den Folgen. Und unsere Mütter fuhren uns auch nicht gleich zum Arzt, wenn wir mal rohe Stachelbeeren gegessen hatten und danach kaltes Wasser tranken.

Wir hatten keine Computer sondern Freunde. Wir gingen einfach raus und trafen sie auf der Strasse ohne vorherige Verabredung per sms. Oder wir marschierten einfach zu ihrer Wohnung und klingelten. Manchmal brauchten wir gar nicht zu klingeln und gingen einfach hinein. Ohne Termin und ohne Wissen unserer Eltern.

Keiner lud uns in die Familienkutsche und brachte oder holte uns!

Wie war das alles nur möglich? Wir dachten uns Spiele aus mit Holzstöcken und Tennisbällen. Es gab keine Cyberspiele, keinen Pac Man und kleine Playstation von Sony.

Ausserdem aßen wir Würmer. Und die Prophezeiungen trafen doch nicht ein:

Die Würmer lebten in unsren Mägen nicht immer weiter. Und mit den Stöcken, in die vorne ein Nagel eingeschlagen war, stachen wir weit weniger Augen aus, als möglich gewesen wäre. Beim Straßenfussball durfte nur mitmachen, wer gut war. Wer nicht gut war, musste lernen mit Enttäuschungen klarzukommen, denn es gab noch keinen Schulpsychologen.

Manche Schüler waren nicht so schlau wie andere. Sie rasselten durch Prüfungen und wiederholten Klassen. Das führte nicht zu emotional aufgeheizten Elternabenden oder gar zur Änderung der Leistungsbewertung. Die Lehrer wurden noch nicht auf bessere Noten verklagt. Unsre Taten hatten Konsequenzen. Das war klar und keiner konnte sich verstecken.

Wenn einer von uns gegen das Gesetz verstoßen hatte, war klar, daß die Eltern ihn nicht aus dem Schlamassel heraushauten. Im Gegenteil: Sie waren der gleichen Meinung wie die Polizei! So etwas!

Unsere Generation hat eine Fülle von innovativen Problemlösern und Erfindern mit Risikobereitschaft hervorgebracht. Wir hatten Freiheit, Misserfolg, Erfolg und Verantwortung.

Mit fast allem wussten wir umzugehen, denn die meisten von uns waren

keine Dussel.


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