Mein Klosterbesuch in Suan Mokh Wat ...

Unheilige Gedanken und müßige Betrachtungen

Der Flug war lang und unbequem. Im Kopf hatte ich immer noch meine hysterisch weinende Nachbarin. Doch ich war mir sicher, sie würde sich schnell daran gewöhnen, dass ich nicht mehr präsent war. Ich hatte ihr ja gesagt: „Liebes, es ist nicht für immer, Dein Heini kommt doch wieder!“.

Vom Flughafen aus ging es zunächst eine Nacht in ein nach europäischem Standard ausgestattetes Hotel. Dort genehmigte ich mir erst mal eine ausgiebige Dusche und ließ mir ein üppiges Essen auf das Zimmer bringen. Dann nahm ich die Minibar unter die Lupe und ging zu Bett. Sicher war dies vorerst die letzte bequeme Nacht in einem weichen Bett.

Am Morgen ging es mit dem Bus zum entfernten Kloster. Es war eine regelrechte Himmelfahrt. Straßen, die man alles andere als Straßen nennen konnte, hölzerne und enge Sitze im Bus, der zudem noch total überfüllt war. Unterwegs gab es keine Rast an Restaurants oder Gasthöfen ... und ich ahnte schon, ich würde vielem entsagen müssen in der nächsten Zeit. Die Landschaft war allerdings wunderschön. Der Busfahrer war sogar in der Lage, in englischer Sprache einige Sehenswürdigkeiten zu beschreiben.

Am Kloster angekommen ging es schon los. Ich musste dem Busfahrer den dreifachen Fahrpreis bezahlen. Der Busfahrer, der vorher perfekt Englisch sprach, konnte plötzlich nur noch Thai und wollte mir mein Wechselgeld nicht zurückgeben. Ich verzichtete dann darauf, denn ich wollte ja ins Kloster und betrachtete dies als meine erste gute Tat.

Das Kloster war imposant, wunderschön gelegen und ich wurde wie in einem Hotel empfangen. Hier bekam ich die Klosterordnung ausgehändigt und mir wurde ein karges Zimmer zugewiesen. Noch in der Empfangshalle des Klosters las ich die Ordnung.

Verboten waren ...

Reden, laute Geräusche, lesen, schreiben, Musik hören, rauchen, Alkohol, Unzucht – jeglicher Kontakt zum anderen Geschlecht, sogar Blickkontakt. Hastige Bewegungen waren nicht direkt verboten, aber man sollte sich immer massvoll benehmen. Aber was schreib ich, genau hier wollte ich ja auch hin, in aller Abgeschiedenheit meditieren zu lernen, auszuspannen und auf die Erleuchtung zu warten.

Die Kleiderordnung

Nach der Klosterordnung sollte die Kleidung sauber, ordentlich, bequem, leicht, undurchsichtig und knie- sowie schulterbedeckend sein. Außerdem sollten alle keine Unterwäsche tragen. Kein Problem!! Also wechselte ich meine durch den rötlichen Sandweg zum Meditationszentrum verstaubte beige Hose gegen meine neue Designerkutte mit Handyfach (welche ich gar nicht brauchte). Denn wer will schon am ersten Tag schlecht auffallen?? Dennoch musste sich eine geplagte Seele über mich beschweren. Und zwar nicht direkt bei mir (wir durften ja nicht reden), sondern bei dem Männerkoordinator Kacha. Ihm war die Sache offensichtlich peinlich, doch dann rückte er mit der Sache raus. Jemand habe ihn gebeten, dafür zu sorgen, dass auch ich die „Klosterkutte“ anziehe, denn mit dem Anblick meiner Designerkutte könne er nicht meditieren.

Wunderbar!! Dabei hatte ich wirklich darauf geachtet, mich der Kleiderordnung entsprechend zu kleiden. Die nächsten zwei Tage hatte ich größte Schwierigkeiten, gelassen zu meditieren und gut über meine Mitmenschen zu denken. Immer wieder schob sich der Gedanke nach vorne: „Welcher Schuft war das?“ Besser nicht an die Pappnase denken, lieber auf den Atem konzentrieren. Und dies war tatsächlich beruhigend. Tief einatmen, 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10, kleine Pause, tief ausatmen, 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 ...

Doch deshalb blieb ich empfindlich in Bezug auf die Kleidung meiner Mitmeditanten. Auf unseren Gängen in die Meditationshalle, die Frauen sitzen auf der rechten Seite, die Männer von ihnen durch einen Gang getrennt auf der linken, fixierte ich die anderen und mußte mich häufig fragen, wer mag es wohl gewesen sein .. es ließ mir keine Ruhe. Doch es blieb mir schleierhaft. Nach diesem unglücklichen Anfang fiel es mir erstaunlich leicht, mich an das Leben im Kloster anzupassen. Reden wollte ich mit den meisten sowieso nicht und eine kleine Denkpause schien mir gerade richtig für meine von Frauen strapazierten Nerven. Dabei war der Tagesablauf hammerhart.

Tagesplan im Meditationskloster Suan Mokh Wat

 4.00     Wecken
 4.30     Lesung
 4.45     Meditation im Sitzen
 5.30     Yoga oder andere Übungen
 7.00     Meditation im Sitzen
 8.00     Frühstück

Pause, während der ich mit fünf anderen abwaschen musste

10.00     Kaltwaschungen mit der Wurzelbürste und leichte
              Geißelungen durch die anderen Meditanten
11.00     Meditation im Gehen
11.30     Meditation im Sitzen
12.00     Meditation im Gehen
12.30     Mittagsessen

Pause, während der wir meist unsere Wäsche gewaschen haben!
(Jeder hatte zwei Kutten zur Verfügung)

14.30     Vorbeimarsch an einer gedeckten Tafel –

(Sie enthielt alle Kostbarkeiten an Essen, die sich ein Europäer vorstellen kann, man durfte nur schauen und riechen. Eine Qual für mich, besonders weckten die Bratkartoffeln und die Eier wehmütige Erinnerungen in mir!) Anschließend wieder Meditation im Sitzen.

15.30      Meditation im Gehen
16.00      Meditation im Sitzen
16.30      Meditation im Gehen
17.00      Chanting (zu Buddha beten)
18.00      Tee der Marke „Darling Laos“ , Gang zu den heißen Quellen
                und baden
19.30      Gemeinsames Basteln von Windspielen, Gebetsmühlen und
               Erstellen von Mandalas.
20.00      Meditation im Gehen
20.30      Meditation im Sitzen
21.30      Schlafhaustüren werden geschlossen

Wer das voll durchzieht, braucht gar nicht mehr zu reden, er vermisst auch keine Musik, Literatur oder Schreiberei, er ist viel zu müde dazu. Zumal man in den Pausen auch noch seine Kleidung waschen mußte. Ich bin meist wie ein Stein ins Bett gefallen ohne jeglichen Gedanken an die Nachbarin oder die Gattin des Anstaltsleiters und das, obwohl die Betten wahrlich und wahrhaftig aus Beton waren.

Essen

Meine größte Sorge war, daß ich nicht genug zu essen bekomme. Immerhin gab es die letzte richtige Mahlzeit um 12.30 Uhr. Das musste für den ganzen Tag, die Nacht und bis morgens um 8.00 Uhr reichen. Am ersten Tag habe ich mir die Schüssel so voll gehauen, dass ich beim nächsten Frühstück immer noch pappsatt war. Mit der Zeit lernte ich es mir einzuteilen.

Morgens gab es zwei Gemüsegerichte, eines davon meist ein Curry, Reis und Papaya, dazu Tee oder einen sojamilchigen Kaffee-Ersatz. Mittags in etwa das Gleiche, nur mehr: zwei bis drei Gemüsegerichte, Reis, rohes Gemüse, Papaya oder Banane (einmal sogar Ananas) und Tee. Nachmittags Tee oder verschiedene Arten von Sojamilch und kleine Bananen. An der Sojamilch hatte ich mich schon in der ersten Stunde meiner Ankunft übertrunken, als ich beim Ausfüllen der Anmeldeformulare, ausgehungert wie ich war, gleich zwei statt eines Bechers dieses nahrhaften Zeugs zu mir nahm, das mir die ganze Nacht schwer im Magen lag. Das ganze Essen war strikt vegetarisch, einmal gab es da jedoch zum Frühstück ein Gericht, das sah wirklich wie Grünkohl mit fettem Speck aus. Keine Ahnung, wie sie das fabriziert hatten. Es bestand aus harmlosem grünen Blattgemüse mit senfgurkenähnlichen Gurken, aber mir drehte sich der Magen um. Den anderen anscheinend auch, denn das Gleiche wurde uns mittags und am nächsten Morgen noch mal erfolglos vorgesetzt.

Faszinierend, zu welchen Tricks die Gier bei einigen greift. Sie verschmähten morgens Gemüse und Reis und nahmen nur von den Papayas – dafür dann aber ganze Schüsseln voll – so nach dem Motto – ich verzichte gerne auf das Brot und esse dafür lieber Unmengen von Schinken. Sie hatten dann immer so einen gehetzten Hundeblick, als erwarteten sie einen Tadel. Es gab aber auch noch die Dulderminen, deren tägliche Nahrungsration nicht einmal einen Kanarienvogel gesättigt hätte. So sahen sie auch aus: magersüchtige Klappergestelle.

Mir schmeckte das Essen vorzüglich und ich kam noch runder aus dem Kloster raus. Trotzdem verspürte ich während meiner ganzen Zeit dort einen Heißhunger auf Rindswürstchen, die Bratkartoffeln von meiner Nachbarin und dem abendlichen Altbier. Hier im Kloster hatte ich darüber hinaus eine Gier auf Kokosmilch entwickelt. Die war um so quälender, als die Kokospalmen überall in voller Frucht standen, und die grünen Nüsse direkt vor meinen Füßen herumlagen. Ständig überlegte ich, wie ich so ein Ding knacken könnte. Aber wir wollten ja lernen ohne Wünsche zu leben und so dem Kreislauf von Verlangen und Leid zu entgehen. So war es schon gut, daß ich keine Machete besaß. Allein schon die Freude am normalen Essen bereitete mir gegen Ende des Kurses einige Seelenpein – auch ohne diese leckere Versuchung.

Meditation

Dessen ungeachtet fiel mir die Meditation unerwartet leicht und bereitete mir sogar erhebliches Vergnügen. Die meiste Zeit sollten wir an nichts denken und uns nur auf unseren Atem konzentrieren, tief einatmen, bis zehn zählen, Pause, tief ausatmen, bis zehn zählen, Pause und wieder von vorne. Das Sitzen war natürlich höllisch anstrengend. Buddha sei Dank brauchten wir nicht im Lotossitz zu sitzen, aber schon der normale Schneidersitz ließ meine Beine und Füße erbärmlich einschlafen. Das Gleiche galt natürlich für den japanischen Kniehocksitz oder den Sitz für höfliches Zuhören, bei dem die Beine zur rechten Seite nach hinten angewinkelt sind. Auch daran gewöhnte ich mich, begrüßte es später sogar, denn wenn die Beine endlich eingeschlafen sind, schmerzen sie nicht mehr so fies. Nur beim Aufstehen wurde es dann wieder übel (wie tausend Nadeln), zumal wir nicht quieken durften, denn das hätte die Stille gestört. In der Meditationshalle herrschte trotz der vielen Menschen eine so unglaubliche Ruhe, man hätte eine Stecknadel fallen hören. Öfter unterbrach das Tippeln des Klosterhundes (eine Mischung aus Chow-Chow und Retriever) die Stille schon von Weitem. Er kam immer in die Meditationshalle, legte sich mit einem tiefen Seufzer irgendwohin, um dann beim Essensläuten wieder zu verschwinden.

Das Schreien der Geckos konnte uns zu Meditationsbeginn einen richtigen Schrecken einjagen, besonders, wenn es direkt über unseren Köpfen erklang. Aber mitten in der Meditation, wenn nacheinander Füße, Beine und auch Hände eingeschlafen sind und der aufrecht sitzende Körper nicht mehr zu fühlen ist, beachtet man das nicht mehr. Nur das dreimal schlagende Meditationsglöckchen war in der Lage, mich wieder in den Tag zurückzurufen.


Am meisten freute ich mich auf die bunten Bilder, die nach einiger Zeit vor dem inneren Auge entstanden. Man musste sich so lange auf den Atem konzentrieren und auf einen Punkt blicken, bis man bunte Bilder, Symbole oder ähnliches sah. Dann volle Konzentration auf die Bilder und versuchen, diese im Geiste umzuformen. Das hat Spaß gemacht. Mehrmals fiel ich aus der Konzentration, weil ich zu angestrengt versucht hatte, die Bilder umzuformen, ich bemerkte, dass ich mich dabei immer weiter nach vorne beugte und der Bann war gebrochen. Da hilft nichts, man muß von vorne beginnen. Immerhin erkannte ich, dass Meditation nicht etwas großes Unbekanntes ist, dass ich und wahrscheinlich auch viele andere es schon als Kinder praktiziert hatten, im Krankenhaus oder Schule vor Langeweile an die Wand oder an die Decke starren bis bunte Bilder kommen – oder abends beim Einschlafen auf den Lichtstreifen unter der Tür starren, zur Beruhigung der Angst vor Monstern oder Mördern unter meinem Bett oder beim Essen, was meinen Eltern immer einen Schrecken eingejagt hatte, wenn ich so einen abwesenden Blick bekam – oder aber, wenn ich auf meinen geliebten Bildschirmschoner (ein Bild im Bikini meiner Nachbarin) starrte.

Die Impermanenz des Lebens

Die bunten Bilder waren toll, aber leider nur ein Schritt zum Ziel, zur Einsicht. Die letzten Tage sollten wir über die Vergänglichkeit (Impermanenz) des Lebens meditierten, und das gefiel mir ganz und gar nicht. Jeder weiß, daß er einmal sterben wird. Aber die Gewissheit auch wirklich zu fühlen und sich damit abzufinden steht auf einem ganz anderen Blatt – das ist wie in die absolute Durchblicksmaschine zu sehen, ohne dabei in Panik zu geraten. So versuchte ich über die Impermanenz zu meditieren und wurde dabei immer unglücklicher. Bei der Meditation im Gehen unter Palmen, zwanzig Schritte hin, Pause, zwanzig Schritte zurück, hielt ich mir deshalb vor Augen – eine Kokosnuß kann mir auf den Kopf fallen, und dann bin ich tot. Meine Fähre nach Koh Samui kann sinken, und dann bin ich tot. Mein Flugzeug zurück nach Düsseldorf kann abstürzen, und dann bin ich tot. Ich kann nächtens aus dem Bett fallen und mir die Ohren brechen, und dann bin ich tot. Nichts ist vorherzusehen, alles wandelt sich, es kann immer etwas Unerwartetes eintreffen.

Was ich aber niemals erwartet hatte, dass es über mir in der Palme raschelte und eine lange grüne Schlange (angeblich ungiftig) mir beinahe auf den Kopf purzelte.

Sie fiel nur etwa drei Schritte neben mir auf den Boden, blieb einige Zeit liegen, bis sie sich endlich zu meiner Erleichterung davonschlich. Nach diesem Vorfall trug ich immer einen breiten Strohhut.

Doch die vom Himmel gefallene Schlange sollte nicht meine einzige Tierbegegnung im Kloster Suan Mokh Wat bleiben. Schon gleich am ersten Abend warnte uns der Meditationskoordinator vor Skorpionen, giftigen Tausendfüßlern und Nachtschlangen mit dem eindringlichen Rat, in der Dunkelheit niemals ohne Taschenlampe hinauszugehen und schon gar nicht allein. Falls wir Skorpione, giftige Tausendfüßler oder ähnliches in unserem Zimmer entdecken (Skorpione stecken besonders gerne in Schuhen), sollten wir diese natürlich keinesfalls töten, sondern lebend auf die Wiese im Innenhof des Klosters deponieren.

Für weitere Adrenalinstöße sorgte eine Baumechse, die mir beim Ausschütteln meiner Kutte plötzlich aus dem Ärmel herausflog, aber auch die Fledermäuse, die einen in der Abenddämmerung auf dem Weg zur Toilette mit einer Affengeschwindigkeit anscheinend rammen wollten, um im letzten Augenblick haarscharf auszuweichen. Nach dem ersten Schrecken entpuppten sie sich als beste Freunde, weil sie die Moskitos auf den Toiletten und bei den Waschgelegenheiten vertilgten. Ich hätte gerne auch ein paar Fledermäuse in meinem Zimmer gehabt, zum Ärger meines Bettnachbars hatten sie ihr Lager aber schon in einem Nebenzimmer aufgeschlagen. Dann gab es natürlich Geckos, einige davon riesig, Unmengen von Ameisen, Spinnen und Moskitos, aber merkwürdigerweise keine Kakerlaken. Besonders viele Moskitos umschwirrten die heißen Quellen, in denen wir zur Abenddämmerung baden durften. Nun badeten ja auch die Frauen in diesen Quellen und normalerweise würden die Frauen in Panik ausbrechen bei solchem Viehzeug. Aber die Frauen standen bis zum Hals im Wasser, trotz der Tiere und es gab kein Geschrei, kein Gekicher und auch kein Geplansche, alles ging der Klosterordnung entsprechend lautlos und angemessen ab.

Das merkwürdige Verhalten der Mitmeditanten

Auch sonst boten wir sicherlich ein merkwürdiges Bild, fast so, als ob wir Freigänger eines Sanatoriums wären – nämlich dann, wenn wir langsam und gemessen unseres Weges zogen oder bei der „Walking Meditation“ immer zwanzig Schritte in die eine Richtung gingen, PAUSE, zwanzig Schritte zurück, PAUSE und wieder von vorne. Einige kamen sich schon wie kleine Buddhas vor und trugen die ganze Zeit einen bemüht heiligen Ausdruck auf dem Gesicht. Das gleiche galt für die Meditation im Sitzen. Päpstlicher als der Papst bemühten sich einige so stark meditierend auszusehen, dass sie darüber vergaßen, sich auf ihren Atem zu konzentrieren und wirklich zu meditieren. Ein Haufen Poser, die sich wahrscheinlich unglaublich heilig vorkamen. Glücklicherweise waren das nur wenige und bei dem Abt des Klosters fanden sie dafür auch kein Verständnis. In den Bewerbungsbögen für die 14tägige Klausur hatten mehrere als Grund tatsächlich angegeben:

....  sie wollen erleuchtet werden

....  sie wollen wie Buddha sein


Tatsächlich legten im Laufe des Kurses immer mehr Mitmeditanten merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag:

Ein schmächtiger Hippie steuerte jeden Morgen nach dem Frühstück einen bestimmten Busch an, roch an einer weißen Blüte, rupfte sie ab und ging dann in ihren Anblick beseelt weiter. Nach einigen Tagen imitierten ihn weitere drei langhaarige Frauen.

Ein kräftiger, blonder Mitzwanziger verwechselte das Kloster offensichtlich mit einem Kung-Fu-Trainingslager. Am siebten oder achten Tag begann er plötzlich damit, die Palmwedel von den Kokospalmen herunterzutreten, praktizierte nach jedem Essen in die Hände klatschend Liegestütze und stellte sich beim Abwaschen in den Pferdestand, um dann dabei wie in Chang Chehs „Der Tempel der Shaolin“ sein Kung Fu auch in der Küche zu erlernen bzw. anzuwenden.

Ein kleiner, dunkelhaariger Bartträger begann von einem Moment auf den anderen rückwärts zu gehen, was meinen ihm zufällig folgenden Begleiter und mich in einen schon fast hysterischen Lachkrampf trieb.

Mindestens die Hälfte der Frauen hätte gerne ein geheimes Date mit dem Junior Chanting Monk gehabt.

Einige Kursteilnehmer verkrochen sich gänzlich in ihre Kammer, um nur noch zum Essen herauszukommen.

In den Unterkünften begannen die Männer (die Frauen wohl auch, aber das konnte ich leider nicht überprüfen) mit fortschreitendem Kursus vermehrt heimlich zu rauchen, sich allein, zu zweit oder in kleinen Gruppen flüsternd zu unterhalten, zu lesen und über den Walkman Musik zu hören.

Am Nachmittag des vorletzten Tages brach auch ich mein Schweigen. Das Meditieren über die Impermanenz des Lebens hatte mich ganz erbärmlich niedergedrückt. Auf eine Frage meines Klostergefährten Paul brach es aus mir heraus, und ich musste ihm mein Leid klagen. Er erfuhr alles über meine Nachbarin, über die Gattin des Anstaltsleiters, meine Wünsche, Gelüste, Sorgen und Sehnsüchte und danach erschwerte sich das Schweigen exponentiell. Auch die einfache Konzentration auf meinen Atem fiel mir plötzlich schwer, dafür begann ich verstärkt wieder an das Leben außerhalb des Klosters zu denken, an ein Leben zu Hause mit der Nachbarin, an Restaurants, an Brot, an Bier, an Wein, an Fleisch, an Schokolade, an Fernsehprogramme, Freunde, Feinde und an AOL.

Dann war endlich der Abschied aus dem Kloster da, ich zahlte die Meditationsgebühren in Höhe von 100 Baht (ca. 27 EURO), bekam ein Schriftstück, welches mir den Kurs bestätigte, nahm meine Reisetasche in Empfang und bestieg mit Paul, meinem Meditationsgefährten, den Bus zurück in die Provinzhauptstadt, dort schwelgten wir erst mal in den Leckereien des Food Markets, redeten bis wir einen trockenen Mund bekamen und sahen uns abends den neuesten Film im Kino an. Natürlich hatte ich schon gleich vor den Klostertoren meine erste Kokosmilch getrunken. Ich verbrachte noch 3 Nächte in einem exklusiven Hotel mit allen Annehmlichkeiten, die ein „Mann“ so braucht und begab mich dann auf die lange Rückreise nach Düsseldorf zu meiner Nachbarin, die mich voll Sehnsucht am Flughafen erwartete ...

*Ich sitze in der zweiten Reihe von rechts direkt vor dem Pfeiler!



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